Wenn der Ruf nach Reinigung in Eigenregie laut wird

Ob in Bonn oder Berlin, Düsseldorf und Dortmund oder Karlsruhe: Quer durch die Republik gibt es aktuell Vorstöße, Reinigungsleistungen zu rekommunalisieren und in Eigenregie auszuführen – ungeachtet von Protesten und Gegenargumenten. Ein Blick auf verschiedene Schauplätze.

Diskussionen über das Thema Eigenreinigung werden aktuell in einigen Städten geführt. - © stock.adobe.com – ChapadoFoto

Wenn die Bundeshauptstadt zumindest beschlussmäßig und die NRW-Landes­hauptstadt tatsächlich vorangehen, möchte ganz offensichtlich auch die ehemalige Hauptstadt nicht hintanstehen: Bonn wird ab dem Sommer für drei Jahre ein Pilot­projekt ­Eigenreinigung durchführen. ­

In drei Schulen und einer Kindertagesstätte sollen über drei Jahre hinweg städtische Mitarbeiter für Sauberkeit und Hygiene sorgen. Das werde Bonn jährlich mindestens 365.000 Euro kosten anstelle von 152.000 Euro für die bislang beauftragten Gebäudedienstleister, rechnete die Stadt vor. Ursprünglich ­hatte die Stadtratsmehrheit von SPD, Grünen, Linken und Volt einen Modellversuch in zehn Schulen, zehn Kitas und drei Verwaltungsgebäuden angestrebt. Die Verwaltung hatte daraufhin gewarnt, dafür habe sie nicht genügend Personal. Zudem müssten dafür jährlich 660.000 Euro aufgebracht werden.

In der nun beschlossenen kleineren Version des Probelaufs in Sachen Rekommunalisierung sollen ­13 Teilzeitstellen für Reinigungskräfte plus eine Objektleiterstelle und eine Verwaltungsstelle geschaffen werden – gegenüber den 17 Mitarbeitenden, die von den Unternehmen im Moment eingesetzt werden. Dem städtischen Personal solle andererseits mehr als 50 % mehr Zeit eingeräumt werden, um die Arbeit zu erledigen.

Im Nachhinein rechnet die Stadtverwaltung auf Anfrage von rationell reinigen allerdings vor, dass "den (zukünftigen) städtischen Reinigungskräften rund ­35 % mehr Zeit zur Verfügung steht". Konkret heiße das, dass jeder dieser Mitarbeitenden pro Stunde 200 m2 zu säubern habe gegenüber den mehr als 300 m2, die in den bisherigen Ausschreibungen von den Kräften der Gebäudedienstleister verlangt werden.

"Mehr Sauberkeit, weniger Minijobs"

Begründet wurde das Pilotprojekt von der Bonner Rats­koalition damit, dass es "mehr Sauberkeit" und "mehr ordentliche, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" bringen werde "im Gegensatz zu den vielen Minijobs", so Linken-Sprecher Michael Faber in der abschließenden Ratssitzung. Das werde dann auch der Privatwirtschaft "ein gutes Beispiel geben", ergänzte Friederike Martin für Volt, die zugleich "Ausbeutung, Lohndumping und unbezahlte Mehr­arbeit" in der Gebäudedienstleisterbranche kritisierte.

"Unsäglich und diskreditierend"

Der Obermeister der Gebäudereiniger-Innung Bonn – Rhein-Sieg, Dirk Müller, empfindet derartige Vorhaltungen als "unsäglich" und "diskreditierend". Für den Geschäftsführer des Landesinnungsverbands NRW, Bernd Nordhausen, sind sie eine "Frechheit", die ein "Geldverbrennen" rechtfertigen solle. Sogenannte prekäre Arbeitsverhältnisse seien keineswegs ein Kennzeichen seiner Mitgliedsbetriebe. Außerdem hätten die Kommunen als Auftraggeber ja den entscheidenden Einfluss, es gar nicht zu Missständen kommen zu lassen. "Aber der Zuschlag geht ja immer an den billigsten Anbieter", sagt Bernd Nordhausen.

Andreas Heinzel: Wer billig einkauft, erhält eine billige Leistung

Andreas Heinzel - © Dorfner

Andreas Heinzel, Geschäftsleiter, Dorfner West, Würzburg: "Seit einiger Zeit wird in Kommunen wieder verstärkt darüber diskutiert, Reinigungsleistungen in eigenen Betrieben oder Servicegesellschaften zu organisieren. Auch wir werden hin und wieder mit diesem Thema konfrontiert. Allerdings ist das nicht neu, in regelmäßigen Abständen war das immer wieder Gegenstand der Diskussionen. Als Begründung werden meist „schlechte Erfahrungen“ mit Dienstleistern angeführt. Wir alle kennen die Schlagzeilen über „verschmutzte Schultoiletten“ und „ausgebeutete Reinigungskräfte“.

Leider wird das Thema aus meiner Sicht allzu oft sehr undifferen­ziert und zuweilen auch sehr ideologisch diskutiert. Nur die wenigsten machen sich die Mühe, die Rahmenbedingungen zu beleuchten. Nehmen wir als Beispiel die Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand. Nach wie vor regiert hier weitgehend das Diktat des niedrigsten Preises – auch wenn man versucht, dies durch die Formulierung „wirtschaftlichster Preis“ zu kaschieren. Um es deutlich zu sagen: Wer billig einkauft, erhält in der Regel auch eine billige Leistung.

Hier muss es ein grundsätzliches Umdenken geben. Wir müssen hin zu einer Ausschreibungspraxis, die die Qualität der Leistungserbringung in den Mittelpunkt stellt. Das impliziert, dass Kunde und Dienstleister gemeinsam das gewünschte Qualitätslevel definieren und in Einklang mit dem zur Verfügung stehenden Budget bringen. Dazu gehört es auch, Vereinbarungen zu treffen, wie die Qualität der Dienstleistung überprüft und sichergestellt werden kann.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt, der in der Diskussion über Eigen- oder Fremdreinigung unbedingt berücksichtigt werden sollte. Jede Kommune sollte genau überlegen, ob sie tatsächlich in der Lage ist, eine Dienstleistung wie die Gebäudereinigung im größeren Umfang zu managen. Gibt es Fachleute, die die durchaus komplexen Prozesse steuern können? Ist die eigene Organisation flexibel genug? Wie lassen sich personelle Engpässe kompensieren? Sind ausreichend spezialisierte Kräfte vorhanden, die besondere Herausforderungen meistern können? Fragen über Fragen, die selbstkritisch beantwortet werden sollten, bevor reflexartig ein Insourcing gefordert wird."

Unterstützung bekam er ausgerechnet von der Bonner Stadtverwaltung: Die Tariftreue sei ein sehr wichtiges Kriterium für die Auftragsvergabe. Prekäre Verhältnisse würden daher "nicht unterstützt" und die Einhaltung der Bestimmungen werde kontrolliert. Das durch viele andere Aufgaben notorisch überlastete stä­dtische Gebäudemanagement könne angesichts seiner "katastrophalen Personalsituation" die zusätzliche Arbeit gar nicht stemmen. Die Opposition im Stadtrat sprach von "Irrsinn", von einer "Geldvernichtungsmaschinerie", von "linker Ideo­logie" und "Staatsgläubigkeit à la DDR"“".

Die Innung Bonn – Rhein-Sieg ist nach den Worten von Obermeister Dirk Müller "unisono der Meinung, dass die Eigenreinigung für die Stadt erstens zu teuer wird und zweitens ohne die Beauftragung von professionellen Betrieben für die Ausfälle – insbesondere krankheitsbedingte – nicht funktionieren kann. Wir dagegen können regelmäßig Ersatzpersonal für Krankheits- und Urlaubsvertretungen aus anderen Objekten generieren. Diese Option hat die Stadt Bonn nicht oder sie müsste viel Personal vorhalten". Dirk Müllers Unternehmen ist im Übrigen direkt betroffen, da es bislang eines der vier Objekte gereinigt hat und dieser Vertrag im Sommer turnusgemäß ausläuft.

Unter dem Branchenmindestlohn

Die Entlohnung der künftigen Stadtmitarbeitenden liegt unter dem Branchenmindestlohn. Die Stadtratsmehrheit verwies auf die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die eine Aufstockung bringen würden. Obermeister Dirk Müller sieht ein weiteres Problem bei dem Modellversuch: den "Mangel an Objektleitern. Hier ist die Stadt Bonn finanziell unattraktiv. Zusätzlich erhalten Objektleiter in unserer Branche einen Pkw mit Privatnutzung. Dies kann die Stadt nicht bieten."

Zur Wirtschaftlichkeit von Fremd- und Eigenreinigung

Fakten zum Thema liefert die „Studie zur Wirtschaftlichkeit der Fremdreinigung im Vergleich zur Eigenreinigung bei der Öffentlichen Hand am Beispiel der Kommunen“ (2014). Die Untersuchung wurde vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks in Auftrag gegeben und ist in der Branche als "Rödl-Studie" bekannt. Sie zeigt klare Kostenvorteile bei Fremdreinigung statt Eigenreinigung auf:

  • Im Durchschnitt liegen die Kostenvorteile der Fremd­reinigung bei rund 34 %.
  • Bei einem durchschnittlichen Eigenreinigungsanteil von 53 % in den in der Studie betrachteten Kommunen führt die Umstellung von Eigen- auf Fremdreinigung zu einem Einsparpotenzial von durchschnittlich 4,27 Euro je Einwohner. Für eine Kommune mit 100.000 Einwohnern besteht damit ein Einsparpotenzial von jährlich 427.000 Euro.

"Klischees und ideologische Aspekte"

Auch der Bundesinnungsverband des Gebäude­reiniger-Handwerks (BIV) wehrte sich in einer Stellungnahme gegenüber den Bonner Ratsparteien gegen "Klischees und ideologische Aspekte". Eine "Verstaatlichung von Reinigung“ führe zu "einer deutlichen Verteuerung bei (nur) gleicher Qualität". "Ein sorgsamer Umgang mit Steuermitteln" sei gerade einer Stadt wie Bonn angeraten, "die auf einen Schuldenberg von rund zwei Milliarden Euro blickt". Zudem gebe es nach Auskunft der Stadtverwaltung "nur eine verschwindend geringe Anzahl von nennenswerten Reinigungsmängeln", heißt es in dem von Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich und BIV-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Molitor unterzeichneten Brief.

Nicht nur in Bonn ein Thema

Die in Bonn jetzt geführten Diskussionen folgen einem Muster, das auch schon in mehreren anderen Kommunen zu einer Ausweitung der Eigenreinigung geführt hat. Die Bundeshauptstadt ist da besonders weit vorangekommen: Der bisherige Berliner Senat hatte beschlossen, ab diesem Jahr in die Rekommunalisierung dieser Arbeiten einzusteigen. Ausgangspunkt war 2019 ein Bürgerbegehren wegen Sauberkeitsmängeln in Schulen.

Berlin: Einstieg in die Eigenreinigung

Der BIV machte dafür "schlecht gemachte Ausschreibungen" der Bezirke und anderer Verwaltungsstellen verantwortlich. Zudem hätten sich "unseriöse Beratungsfirmen und dubiose Facility-Management-Dienstleister" eingeschaltet. Die Folge: "Geschäftsmo­delle, bei denen Honorare der Beratungsunternehmen prozentual von den durch die Ausschreibung erzielten Einsparungen abhängig gemacht wurden. Die Honorarmaximierung führte zur Maximierung der Einsparungen mit dem Ergebnis sinkender Dienstleistungsqualität in den Projekten, in denen Beratungsunternehmen eingeschaltet waren." Ganz generell wetterte Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich, es sei "absurd, dass die Schulden-Hauptstadt Berlin so viel zusätzliches Steuergeld von ihren Bürgerinnen und Bürgern verlangt, statt auf bekannte effektive Lösungen zu setzen. Durch Ideologie wird keine Berliner Schule sauberer". Trotzdem votierten sechs Bezirke für die Eigenreinigung.

Henri Harder: Das wird den Reinigungszustand nicht verbessern

Henri Harder - © Schwarz-Weiss

Henri Harder, Prokurist, Gebäudedienste Schwarz-Weiss, Berlin: "Mit Einführung der Fremdvergabe von Reinigungsleistungen wurde das Ziel verfolgt, Fachfirmen mit diesen Arbeiten zu beauftragen, damit Kommunen sich auf ihre eigenen Kernkompetenzen konzentrieren können. (Dies gewinnt in der Privatwirtschaft ebenfalls zunehmend an Bedeutung, jedoch nicht mit dem ausschließlichen Ziel des Sparens.) Zudem sollten die öffentlichen Kassen entlastet werden – ein Umstand, der aufgrund der permanent angespannten Haushaltslage in den Vordergrund gerückt ist. Teilweise werden mittlerweile Consulter herangezogen, um Reinigungsleistungen für Kommunen auszuschreiben oder bei der Vergabe zu beraten. Diese Beraterfirmen werben damit, keine zusätzlichen Kosten zu erzeugen, weil sie sich über die erzielten Einsparungen ­finanzieren – ­wodurch Gelder für die Reinigung verloren ­gehen. Ein besserer Weg wäre es, sich in Sachen Ausschreibung und Vergabe mit Vertretern der Innungen zu beraten oder vereidigte Gutachter mit einzubeziehen.

Festzuhalten ist: Die in früheren Zeiten praktizierte Eigenreinigung hat sich nicht bewährt. Die dafür erforderlichen Strukturen waren in den öffentlichen Verwaltungen nie vorhanden; sie zu schaffen würde einen enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die fachliche Qualität in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind – aufgrund der Vielfalt der zu reinigenden Materialien und der zur Verfügung stehenden Chemikalien, Reinigungstextilien und -maschinen. Nicht zuletzt müssen ­Sicherheitsbestimmungen, Auflagen der Berufsgenossenschaft und des Gesetzgebers sowie ­Anforderungen in Bezug auf Arbeitsschutz, Nachhaltigkeit, Zertifizierungen oder Managementsysteme beachtet werden. Die gegenwärtig größte Her­ausforderung ist allerdings die schwierige Personalsituation, die bewältigt werden muss – zum Beispiel durch die vermehrte Einführung von Tagesreinigung. Dadurch werden Arbeitszeiten realisiert, die insbesondere für Mütter interessant sind.

Für Gebäude­reinigungsfirmen gehört all dies zum Kern­geschäft. Eine ­Rekommunalisierung von Reinigungsleistungen wird den Reinigungszustand in öffentlichen Einrichtungen ganz sicher nicht verbessern."

Richtig vorangekommen ist man jedoch bislang noch nicht. Es fehlt das Geld und es müsse eine Menge Vorarbeit geleistet werden, heißt es vom Bildungssenat. Arbeitsgruppen tagen fleißig und versuchen, "die Qualitätsstandards und das Controlling-System zu erarbeiten, um dann darauf aufbauend die Pilotprojekte in den Bezirken zu starten. Erst durch einheitliche Standards ist eine Vergleichbarkeit und Messbarkeit zum Erfolg der Projekte möglich", so eine Antwort an das Abgeordnetenhaus von Mitte Februar. Bevor „voraussichtlich im 2. Halbjahr 2023“ eine "gesamt­­­­städtische Zielvereinbarung" geschlossen werde, müssten zudem noch Muster-Leistungsverzeichnisse erstellt und eine "Online-Befragung unter Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und weiteren Beteiligten zur aktuellen Zufriedenheit mit der Reinigungsqualität" solle durchgeführt werden.

Düsseldorf: Mindestens 50 Prozent

In der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf besteht seit 2020 eine interne Dienstvereinbarung, wonach mindestens 50 % der Gebäudeflächen durch städtische Bedienstete gereinigt werden sollen. Seitdem läuft die Suche nach Mitarbeitenden für die Erledigung der zusätzlichen Aufgaben insbesondere in Kindertagesstätten und Schulen. Der prinzipielle Plan wird trotz eines Wechsels der Mehrheiten im Rat nach der letzten Kommunalwahl weiterverfolgt. Derzeit liege, so die Stadt, die Eigenreinigungsquote bei gut ­42 %, bezogen auf eine jährliche Reinigungsfläche von ­immerhin 240 Mio. m2.

Dortmund: Service-Gesellschaft geplant

70 Kilometer nordöstlich hat Anfang März Kai-Gerhard Kullik, Obermeister der Gebäudereiniger-­Innung Dortmund, heftig auf einen Plan der dortigen Stadtwerke AG und der Stadt Dortmund reagiert. Sie wollen eine sogenannte Service-Gesellschaft gründen. Diese soll sich "in den Bereichen Sicherheit sowie ­Reinigung und Pflege für Einrichtungen der Stadt sowie auch anderer städtischer Unternehmen" engagieren.

Schon allein dieses Vorhaben sei "eine Unverschämtheit", wettert Kai-Gerhard Kullik. "Die Vorwürfe der Stadt sind eine Unterstellung. Uns ist nicht bekannt, dass die 43 Fachbetriebe unserer Innung bisher bei städtischen Aufträgen Anlass zur Klage gegeben hätten." Die Initiative der Stadt stellt für ihn einen "Schlag ins Gesicht eines Handwerks" dar, das "eine tragende Säule des Arbeitsmarktes ist und in nicht unerheblichem Maße Gewerbesteuer zahlt". Wenn es Grund zur Klage gebe, dann an der Ausschreibungs- und Vergabepraxis der Stadt. Sie bevorzuge nämlich Billiganbieter, statt das heimische, gut ausgebildete Gebäudereiniger-Handwerk zu berücksichtigen: "Wer immer nur billig will, darf sich nicht wundern, wenn die Arbeit nicht vernünftig erledigt wird". Die Innung strebe an, das "erfolgreiche Miteinander" mit der Stadt fortzuführen, das unter anderem zu einer 50:50-Regelung für Reinigungskräfte (50 % bei der Stadt und 50 % bei Privat­firmen) geführt hatte.

Kai-Gerhard Kullik unterstreicht, dass die Gebäude­reiniger-Innung keine Einladung bekommen habe, um zu dem Vorhaben der Stadt Stellung zu nehmen. "Und wenn das so wäre, dann hätten wir sicher deutlich Nein gesagt." In einer Pressemitteilung von Ende ­Februar hatte die Stadtverwaltung indes behauptet, ­ihre Pläne "mit Verbänden, Kammern und Gewerkschaften ordnungsgemäß besprochen" zu ­haben. Schließlich werde eine Gesellschaft gegründet, die über die öffentliche Hand ins Marktgeschehen eingreifen wird. Die Rückmeldungen darauf, so die Stadt, seien insgesamt "wohlwollend und positiv" ausgefallen. Mit der Handwerkskammer sei man in Gesprächen, weil die Innung der Gebäudereiniger noch einige Fragen habe. "Wir bringen das nun auf den Weg, weil kein Einwand der grundlegenden Art besteht." Auf Kai-Gerhard Kulliks Kritik verwiesen die Stadtwerke darauf, die Servicegesellschaft werde Reinigungsarbeiten erst "eher mittelfristig" ausführen.

Adnan Alatas: Den Weg freimachen für Kompetenz

Adnan Alatas - © Helmut Haase

Adnan Alatas, Geschäftsführer, Helmut Haase, Stuttgart: "Weshalb wird das Thema Eigen- oder Fremdreinigung so kontrovers und emotional diskutiert? Bei sachlicher Betrachtung stellt man fest, dass es sich bei den Bestrebungen zur Rekommunalisierung um Einzelfälle der öffentlichen Hand handelt, die vermeintlich schlechte Erfahrungen mit der Fremdvergabe gemacht haben. Die Ursache für die Unzufriedenheit wird in diesem Zusammenhang völlig ausgeblendet.

Tatsache ist, dass mit der gängigen Ausschreibungs- und Vergabepraxis der öffentlichen Hand keine qualitative Ver­gabe möglich ist. Aufträge werden fast immer an den billigsten Bieter vergeben. Leistungsverzeichnisse entsprechen nicht einmal den Minimalanforderungen für die Nutzungsart der Immobilien. Wichtige Kriterien wie Umweltaspekte, technische Standards oder Mitarbeiterqualifikation bleiben unberücksichtigt. 

Die Berichterstattung außerhalb der Fachpresse ist zudem häufig einseitig gegen das Gebäudereiniger-Handwerk gerichtet und entspricht nicht den Tatsachen. Insofern sind die aktuellen Rekommunalisierungsbestrebungen – wie beispielsweise in Karlsruhe – die Folge falscher Entscheidungen von nicht fachkundigen Politikern. Die fehlerhafte Darstellung vieler öffentlicher Auftraggeber, was Qualität und Wirtschaftlichkeit der Eigenreinigung betrifft, wurde eindeutig in der sogenannten „Rödl-Studie“ des BIV widerlegt.

In einer Zeit, in der sich die öffentliche Hand aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müsste, bieten die Fachunternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks ihren Beitrag zu Werterhalt und Nachhaltigkeit. Digitalisierung, Technologisierung, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Umweltaspekte sorgen für hohe Spezialisierung. Diesen Spezialisierungsgrad können Kommunen mit kleinen Reinigungsabteilungen nicht erreichen, ganz zu schweigen von den hierfür erforderlichen Zusatzkosten, die in den aktuellen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen nicht berücksichtigt sind.

Als Profis scheuen wir nicht den Wett­bewerb. Vielmehr ist es an uns, auch in diesen Zeiten am Markt qualitativ hochwertige Serviceleistungen anzubieten und bei Bedarf die Auftraggeber von unserer Leistungsfähigkeit zu überzeugen."

Karlsruhe: Initiative gestartet

In Baden-Württemberg war es seit vielen Jahren ruhig geworden um die Eigenreinigung. Nun jedoch regt sich in Karlsruhe, angestoßen durch einen rot-rot-grünen Stadtrat und die Gewerkschaft Ver.di, gegen die Verwaltung der Stadt eine Initiative zur Rekommunalisierung von Reinigungsleistungen. In den vergangenen Jahren waren Aufträge immer häufiger extern an Gebäudedienstleister vergeben worden. Der Eigenreinigungsanteil lag zuletzt nur noch bei ­26 %. Nun will der Gemeinderat zurück zu einem Anteil von 50 %.

Wolfram Schlegel, Geschäftsführer der Landesinnung Baden-Württemberg, hält mit sachlichen Informationen an die von der Gewerkschaft eingespannten Medien dagegen. Nach dem Motto "Wehret den Anfängen" hat er sogar den Rundfunkrat des SWR eingeschaltet, um zum Beispiel über Hörfunk verbreitete Falschinformationen zu unterbinden. "Uns irritiert, dass durch anonyme, größtenteils vage und ein ganzes Handwerk diskreditierende Anschuldigungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unmittelbar vor der Sitzung des Gemeinderats im Zusammenwirken mit der Gewerkschaft Ver.di auf kommunalpolitische Entscheidungen Einfluss genommen wird", sagt der Rechtsanwalt.

Rostock: Nicht weit vorangekommen

Weniger weit vorangekommen ist ein Eigenreinigungsvorstoß in Rostock, um einen weiteren Schauplatz quer durch die Republik zu nennen. Die Unzufriedenheit mancher mit den Leistungen von Privatfirmen sei 2021 Anlass gewesen, ein Projekt in Eigenregie zu planen, sagt Heiko Middelhuß, stellvertretender Obermeister der Landesinnung Nordost. Die Rostocker Verwaltung ermittelte darauf allerdings, dass es kein Einsparpotenzial gebe und auch das notwendige Personal nur sehr schwer zu finden sei. Seitdem registriert Heiko Middelhuß Stillstand und plädiert – wie andere Branchenvertreter auch – dafür, die Leistungswerte für die Gebäudereinigungsfirmen so anzupassen, dass Sauberkeit und Hygiene auf dem gewünscht hohen Niveau möglich sind.

Harald Siebert | heike.holland@holzmann-medien.de